Artikel im Moments-Magazin: In getrennten Betten

Bereits in der Februar 2016 Ausgabe des Moments-Magazins hatte ich die Ehre bei einem Artikel mitarbeiten zu dürfen. Umso mehr hat es mich gefreut, abermals bei einem Artikel mitwirken zu können. Diesmal geht es um die Thematik „Distanz in Beziehungen“. Wie viel Abstand tut der Beziehung gut und wann geht es zu weit.

Es folgt der abgetippte Artikel sowie Bilder im Anschluss:

Auf Besuch im Schlafzimmer. Manche Paare nennen es noch verschämt „Gästezimmer“, andere stehen bereits zum zweiten Schlafzimmer: Der Trend geht in Richtung getrennte Betten. Das soll nicht nur für einen erholsameren Schlaf, sondern auch für ein besseres Sexleben sorgen.

Schnarchen, drängen, Decke klauen: Nicht immer sind gemeinsame Nächte von Romantik und Liebesgeflüster durchzogen. Vielmehr kommen zahlreiche Studien zu dem Schluss: Wer sich das Bett teilt, schläft schlechter. Dies betrifft vor allem Frauen, wie eine Untersuchung der Ryerson-Universität in Toronto zeigt: Ihr Gehirn ist darauf ausgerichtet, kleinste Bewegungen und leiseste Geräusche in der Nacht zu registrieren, um im Fall des Falles die Nachkommen schützen zu können. Das mag zwar evolutionär gesehen sinnvoll sein – wenn der Partner daneben mit seinem Schnarchen jeder Motorsäge Konkurrenz macht, seinen Bewegungsdrang auslebt oder ganze Monologe im Schlaf hält, geht der Schuss aber eher nach hinten los. Denn aufgrund der ständigen Geräuschkulisse sinkt das Gehirn nie ganz in die Tiefschlafphase, die Folge sind Tagesmüdigkeit, Kopfschmerzen und wenig Energie.

Aktive Bemühungen. Dennoch ist der Gedanke an geteilte Betten in unseren Köpfen fest verankert: Diese symbolisieren emotionale Nähe und ein leidenschaftliches Sexleben. Wer dagegen für eine heiße Nacht aufstehen und ins Nebenzimmer gehen muss, hat schon verloren. Stimmt so nicht ganz, meinen Experten: Denn die getrennten Schlafzimmer können dazu führen, dass man sich aktiver um das Sexleben bemühen und die Momente der Lust klar signalisieren muss – und dadurch kann auch die Okay-mach-halt-aber-weck-michnicht- auf-Einstellung verschwinden, die sich im Lauf der Jahre bei vielen Paaren einschleicht. Zudem hat der nächtliche Besuch im Nebenzimmer auch etwas Verruchtes an sich, was wiederum die Leidenschaft verstärken kann. Allerdings riskiert man auch das Gegenteil: Gerade weil der Partner nicht in greifbarer Nähe ist, lässt sich möglicherweise auch die Lust nicht blicken. Und dann endet das Experiment damit, dass sich beide Partner eher wie in einer WG als in einer Pärchenwohnung fühlen.

Kuschelhormone. Zu wenig Nähe kann der Partnerschaft definitiv schaden, ist sich Paartherapeutin Doris Jeloucan sicher. Denn beim Kuscheln und beim Austausch von Zärtlichkeiten wird das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin gebildet. Es führt dazu, dass man ruhiger, glücklicher und empathischer wird. „In der Sexualtherapie wird Oxytocin nasal verabreicht, um ein künstliches Gefühl von Nähe herzustellen“, erklärt Jeloucan. Das Kuschelhormon Oxytocin macht übrigens auch treu. Experimente mit Mäusen haben ergeben, dass jene Mäuse, die mit künstlichem Oxytocin behandelt wurden, von der polygamen in die monogame Lebensform wechselten. Doch nicht nur die Mäuse mussten für die Oxytocinforschung herhalten: Wissenschaftler von der Universität Bonn behandelten Männer mit einem Nasenspray, das künstliches Oxytocin enthielt. Die Folge: Die Männer bewerteten Fotografien ihrer Partnerinnen weitaus positiver als ohne Kuschelhormon.

Kuscheln ist gesund. Aber nicht nur die Bildung von Oxytocin spricht für eine Kuscheleinheit vor dem Einschlafen: „Es gibt zahlreiche Studien, die den positiven Effekt von Nähe auf die Gesundheit belegen. Man konnte z. B. nachweisen, dass selbst bei schweren Erkrankungen durch Nähe und Zuwendung der Genesungsprozess signifikant begünstigt werden konnte“, so Jeloucan. Dennoch spricht nichts gegen ein Extra-Bett im Nebenzimmer:. Doris Jeloucan: „Grundsätzlich müssen wir hier unterscheiden, warum man diese distanzierenden Dinge tut. Ist es, um sich zu regenerieren, obwohl man gerne gemeinsam Zeit verbringt, kann es sehr hilfreich bei der Bewältigung von Alltagsstress sein. Versuche ich allerdings, Nähe zu vermeiden, ist das lediglich ein Ausweg und hemmt eine lebendige Beziehung.“

Spannung der Distanz. Die Distanz zum Partner mit dem Hintergedanken, sich zu regenerieren, tut auf mehreren Ebenen gut. Wolfgang Krüger, Psychotherapeut und Autor des Buches „Mehr Freiraum für die Liebe“, weiß: „Wenn man alles zusammen macht, wird das auf Dauer langweilig und das Liebesgefühl schrumpft, weil der notwendige Abstand fehlt.“ Die Distanz, die beispielsweise durch getrennte Schlafzimmer, aber auch durch getrennte Hobbys (und, für Verwegene: getrennte Urlaube) entsteht, sorgt für die notwendigen Spannungen – und auch für Gesprächsstoff am Ende des Tages. „Es ist ja das Eigenleben, das uns am anderen immer wieder neu interessiert. Und das Interesse am anderen sorgt wiederum dafür, dass wir uns nahe fühlen“, so Krüger. Sprich: Wer alles gemeinsam macht, kann sich nicht mehr für den anderen interessieren – und man entfremdet sich, obwohl man ständig zusammenklebt. Natürlich hängt der Wunsch nach gemeinsamen oder getrennten Unternehmungen aber auch von der Beziehungsphase ab: Wer in den ersten schmetterlingsgeprägten Verliebtheitswochen schon vom Urlaub allein träumt, sollte die Beziehung vielleicht noch einmal hinterfragen. Nach spätestens zwei Jahren ist der Hormonrausch der ersten Verliebtheit allerdings abgeflaut – und wer dann mit Ernüchterung bemerkt, dass er außer dem Partner keinen Lebensinhalt mehr hat, sollte schleunigst etwas an der Situation ändern.

Ausnahmezustand. Jede Nacht in seinem eigenen Bettchen zu verbringen, ist dennoch nicht ganz ideal, erklärt Paartherapeut Wolfgang Krüger: „Man sollte schon gelegentlich zusammen übernachten, weil das gemeinsame Einschlafen und Aufwachen förderlich für die entspannte Nähe ist. In der Nacht ist man nämlich nicht mehr oder noch nicht in jener kontrollierten Erwachsenenhaltung, von der der restliche Tag geprägt ist.“

Die Entwicklung der Liebesbeziehung

In den vergangenen Jahren hat sich die Bedeutung von Beziehungen gewandelt. Bis vor wenigen Jahrzehnten waren Frauen auf Männer und eine fixe Beziehung angewiesen; durch die Emanzipation und die gesellschaftliche Gleichstellung von Männern und Frauen hat sich dieses Bild gewandelt – die Existenz ist nicht mehr von einer Partnerschaft abhängig. Selbstverwirklichung ist zu einem wesentlichen Aspekt geworden und führt dazu, dass sich Menschen in Beziehungen weniger kompromissbereit zeigen. Zukunftsforscher sagen einen verstärkten Trend zu getrennten Wohnungen voraus. Auch die Nachfrage nach Paartherapien soll steigen – denn der Wunsch nach einem gemeinsamen und harmonischen Miteinander ist allen Entwicklungen zum Trotz sehr stark.

Einzelbett? Aber ja!

● Die meisten Menschen schlafen Umfragen zufolge am besten und erholsamsten, wenn sie auf der Seite liegen, zu 3/4 von der Bettdecke bedeckt sind – und allein sind.

● Männer und Frauen haben ein unterschiedliches Temperaturempfinden. Männer empfinden 18 Grad als die ideale Raumtemperatur zum Schlafen, bei Frauen liegt sie mit 20 Grad etwas höher.

● Männer und Frauen haben auch ein unterschiedliches Schlafverhalten: Frauen schlafen schwerer ein, wachen häufiger auf und benötigen etwa eine Stunde mehr Schlaf pro Nacht als Männer.

„Nähe ist die Grundlage gesunder Beziehungen. Unser Hirn ist darauf ausgelegt, mit anderen in Verbindung zu gehen. Schon Harry Harlow hat in den 1970er-Jahren mit seinen Affenexperimenten bewiesen, dass das Bedürfnis von Nähe noch vor dem Bedürfnis nach Nahrung und Sexualität kommt.“ Doris Jeloucan, Paartherapeutin und Singlecoach aus Graz.

Die Ehe ist eine Hölle bei gemeinsamem Schlafzimmer; bei getrennten Schlafzimmern ist sie nur noch ein Fegefeuer; ohne Zusammenwohnen wäre sie vielleicht das Paradies.Henry de Montherlant, franz. Schriftsteller (1895–1972)

© Moments-Magazin, Cornelia Stiegler



Wann wurde der Artikel veröffentlicht?

In der April 2016-Ausgabe des Moments-Magazins.

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