Artikel in der Grazettina: Neue Beziehungsformen

Neue Beziehungsformen sind auf dem Vormarsch. Immer mehr wollen Ihre Freiheit nicht aufgeben, wenn sie eine Beziehung eingehen. Die erste Ausgabe der Zeitschrift Grazettina beschäftigt sich mit dem Thema und ich hatte das Vergnügen mitarbeiten zu dürfen.

Es folgt der abgetippte Artikel sowie Bilder im Anschluss:

Beziehung Light

Die Liebe hat viele Gesichter – und neuerdings auch viele Beziehungsformen. Während die einen sich als „Mingles“ outen, stehen andere Paare zu ihren getrennten Wohnungen. Liebe auf Distanz ist heutzutage „in“. Modeerscheinung oder doch eine funktionierende Alternative zum traditionellen Beziehungsmodell?

Sandra und Tom sind verliebt. Sie kennen sich schon lange und als damals Liebe daraus wurde, haben sie es mit der Freundschaft so beibehalten. Sie verbringen wundervolle Nachmittage miteinander, teilen Interessen, haben Spaß und ein erfülltes Sexleben. Und danach geht jeder wieder seine eigenen Wege. Liebe? Ja, die eine Wahre sogar! Sie sind Mingles. Was wie der beste Freund der Teletubbies oder nach einem niedlichen Kleintier klingt, ist die Bezeichnung eines neuen Partnerschaftsmodells: halb Beziehung, halb Single. Die Liebe hat also einen weiteren Namen bekommen. David Beckham ist schließlich auch nicht mehr hetero, sondern METRO-sexuell. Obwohl die unverbindliche Liebesbeziehung eine selbsterwählte Lebensform oder nur den Umständen der schnelllebigen Gesellschaft zuzuschreiben ist, wer weiß das schon so genau. Sandra und Tom jedenfalls als beziehungsunfähige Großstadtneurotiker abzutun, wäre etwas vorgegriffen. Die Liebe auf Distanz funktioniert nämlich bei vielen. Denn: Es gibt auch Menschen, für die das Partnerglück nicht aus der klassischen Vater-Mutter-Kind-Konstellation besteht. Die in der trauten-Heim-und-Garten-Idylle eher Atemnot bekommen. Sie wollen sich vom gesellschaftlichen Ideal lösen und dadurch freier denken, entscheiden und lieben. Kein Richtig oder Falsch in der Partnerschaft oder Ehe- nur der selbstdefinierte Maßstab als Paar.

Neue Liebe oder Halbherzigkeit?

Mit der zunehmenden Individualisierung der eigenen Lebensentwürfe, also das Streben nach Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, liegt diese Beziehungsform am Puls der Zeit, weiß Beziehungspsychologin Doris Jeloucan aus Graz: „Berufliche und private Flexibilität und Karriere werden vor allem für Frauen immer wichtiger. Aber auch für Männer hat sich viel geändert: Es reicht nicht mehr nur Geld nachhause zu bringen, auch den Liebhaber und Seelsorger sollen sie stehen. Das sind viele Anforderungen.“ Deshalb feiern Mingles die verbindliche Unverbindlichkeit und vereinen das Beste aus zwei Welten. Der Preis dafür: emotionale Intimität und partnerschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl! Das mag in jungen Jahren, in denen Karriere und Beruf im Vordergrund stehen, noch kein Problem sein. Reiferen Menschen mit emotionalen Ansprüchen wird auf Dauer diese „abgespeckte“ Beziehungsform jedoch nicht schmecken. Dafür finden sich dort zahlreiche „LAT“-Anhänger (=Living apart together).

Ehe auf getrenntem Terrain

Um das Eheleben nicht mit alltäglichen Krisen zu belasten und sich selbst mehr Freiraum zu geben, entscheiden sich immer mehr Paare für getrennte Wohnungen. So paradox diese Form der ehe klingt, so schien sie bislang vor allem dem bohemistischen Milieu vorbehalten. Nicht Heute! Die wohl bekannteste LAT-Beziehung führt Woody Allen. Dass in seiner Beziehung mit Mia Farrow noch immer eine gewisse Spannung herrscht, soll der Tatsache zu verdanken sein, dass beide in getrennten Wohnungen wohnen. Er auf der einen Seite des New York Central Parks, sie auf der anderen. Die räumliche Distanz sollen die beiden gelegentlich per Fernglas überbrückt haben. „Das kann funktionieren. Wichtig dabei ist die bewusste Frage an sich selbst: Macht mich das glücklich oder schütze ich mich nur vor Verletzungen?“, rät Jeloucan. „Und treffen Sie eine Monogamie-Vereinbarung.“ Es ist ein Partnerschaftsmodell, zu dem meist Frauen den Anstoß geben. Sie sind doch beruflich ebenso stark engagiert wie Männer. Dass sie mit der Entscheidung eines gemeinsamen Haushaltes Ihre Freiheit und Selbstbestimmung aufgeben sollen, obwohl mit eigenem Einkommen nicht einmal eine ökonomische Notwendigkeit besteht, klingt für sie zunehmend unlogisch. Vielleicht sollte er dann doch lieber mehr im Haushalt mit anpacken …

© Grazettina, Yvonne Posch



Wann wurde der Artikel veröffentlicht?

Am 11. Mai 2016 in der 1. Ausgabe der Grazettina.

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